KI in der Medizin hält Fachkräften den Rücken frei

KI in der Medizin hält Fachkräften den Rücken frei


Der Klinikalltag ist hektisch, die To-Do-Listen beim Fachpersonal sind lang. Trotzdem müssen Mediziner bei der Diagnose auch kleinste Details beachten, um Patienten richtig zu behandeln – dabei kann KI helfen.



Bei der Entwicklung der Ultraschall-Diagnostik vor über 75 Jahren stand die Natur Modell, genauer gesagt Fledermäuse, die mit Schall den Raum abtasten und ihn mit dem Gehörsinn erfassen1. Nun nimmt sich die moderne Medizin erneut die Natur zum Vorbild. Im Fokus steht dabei weniger die Sinneswahrnehmung als vielmehr das Verarbeitungsorgan: das Gehirn bzw. die Anwendung neuronaler Mechanismen in der Künstlichen Intelligenz (KI). „KI erweitert unsere Fähigkeiten als Mediziner, sie liefert Entscheidungsgrundlagen. Ziel ist dagegen nicht, dass Künstliche Intelligenz selbstständig agiert“, sagt Prof. Dr. Mathias Goyen, Chief Medical Officer Europe bei GE Healthcare, der sich intensiv mit Chancen befasst, die durch KI in der Medizin entstehen.

Das Interesse an Künstlicher Intelligenz nimmt zu

„Wenn es darum geht, Daten schnell und nach genau festgelegten Kriterien zu untersuchen, ist KI dem Menschen in puncto Geschwindigkeit weit überlegen“, sagt Goyen. Aktuell kommt KI in der Medizin vor allem bei der Analyse von zwei Datentypen zum Einsatz: Diagnostische Bildaufnahmen und genetische Daten2. Dabei verwenden Computerspezialisten häufig maschinelles Lernen. Der Computer lernt Krankheiten basierend auf diagnostischen Daten zu erkennen – wie ein Mediziner in der Ausbildung. Dadurch kann der Rechner dem behandelnden Arzt eine Entscheidungsgrundlage liefern. Im Schnitt produziert ein Krankenhaus 50 Petabyte, das sind 50.000 Terabyte, Daten pro Jahr. Davon werden aber nur 3 Prozent wirklich genutzt3. Goyen ist überzeugt: „Künstliche Intelligenz kann das ändern.“

Aus aktuellen Publikationen geht hervor: Das Interesse an KI nimmt in verschiedenen Bereichen der Medizin kontinuierlich zu4. Das schließt die Notfall-Medizin ein, in der KI-gestützte Systeme helfen können, lebenswichtige Diagnosen fast in Echtzeit zu stellen. Aber auch in der Allgemeinmedizin, Kardiologie und Frauenheilkunde wächst die Bedeutung. Das liegt an einem wesentlichen Merkmal von KI: der Fähigkeit zu lernen und neue Situationen zu interpretieren. „Deswegen ist KI in der Medizin so wertvoll. Sie hilft uns Medizinern, unsere beschränkte Zeit besser zu nutzen“, sagt Goyen. So nimmt der Computer medizinischem Fachpersonal repetitive Aufgaben ab.

Goyen ergänzt: „Wir wollen mit KI in unseren Geräten beim Arzt Kapazitäten für wichtige Dinge wie den direkten Patientenkontakt freimachen.“ Dadurch werden sich heutige Berufsbilder ändern, die menschliche Komponente der Pflege wird aber extrem wichtig und in Menschenhand bleiben. Der Computer agiert im Hintergrund unterstützend bei immer mehr Aufgaben. „Künstliche Intelligenz in der Medizin geht nicht mehr weg, sondern bringt uns immer weiter voran.“

KI in der Medizin: Auswertung von Ultraschall-Aufnahmen

Speziell in der Ultraschall-Diagnostik gibt es schon seit über 20 Jahren Bemühungen, Künstliche Intelligenz einzusetzen: Beispielsweise für das Erkennen von Lebererkrankungen wie Hepatitis oder Zirrhosen5. Eine weitere Anwendung ist das Klassifizieren von Knötchen in der Brust oder Wucherungen des Prostatagewebes6, 7. Schon früh kamen dabei neuronale Netzwerke in den Computern zum Einsatz – diese basieren auf der Kombination von Recheneinheiten, die ähnlich wie Neuronen funktionieren und Muster in großen Datensätzen erkennen. Durch stärkere Rechner konnten Computerwissenschaftler diese Methode weiterentwickeln. Das hilft vor allem dann, wenn wenig Daten vorhanden sind, mit denen man ein neuronales Netzwerk „trainieren“ kann8. Ausgefeilte Netzwerke ermöglichen es Computern, immer komplexere Probleme selbstständig zu lösen. Allerdings muss ein „Diagnoseprogramm“, damit es zugelassen9 wird, reproduzierbare Ergebnisse in gleichbleibend hoher Qualität liefern. Um das sicherzustellen, kann beispielsweise, sobald das Training abgeschlossen ist, ein Algorithmus generiert werden, also ein festgeschriebenes Schema, nach dem Daten analysiert werden.

Um KI in der Medizin auf breiter Basis zu nutzen, sind Konnektivität und Flexibilität der Geräte und Computersysteme essenziell. Hier setzt die Plattform Edison von GE Healthcare an. Dieses System bündelt Krankenhausdaten aus diversen Quellen, die mit verschiedenen Apps analysiert werden können. Auch die neueste Generation smarter Diagnostikgeräte von GE Healthcare ist in das System integriert. Mit den unterschiedlichen Modulen – zum Teil auch von anderen Technologie-Unternehmen – ist die Plattform beliebig auf jedes Krankenhaus individuell adaptierbar. Denn eines ist sicher, sagt Goyen: „Künstliche Intelligenz wird in Zukunft eine große Rolle spielen, aber wir müssen uns heute entscheiden: Wollen wir mitgestalten oder hinterherhecheln, wenn Pioniere aus Industrie und Medizin die neuen Wege bereits gegangen sind.“

1 Kang et al., 2012: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3512173/
2 Galimova et al., 2019: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6449768/
3 GE Reports: https://www.ge.com/reports/ai-healthcare-expert-doctors-machines-make-brilliant-match/
4 Galimova et al., 2019: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6449768/
5 Ogawa et al., 1998: https://ieeexplore.ieee.org/document/737666
6 Joo et al., 2004: https://ieeexplore.ieee.org/document/1403434
7 Loch et al., 1999: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1002/%28SICI%291097-0045%2819990515%2939%3A3%3C198%3A%3AAID-PROS8%3E3.0.CO%3B2-X
8 Ravishankar et al., 2017: https://arxiv.org/pdf/1704.06040v1.pdf
9 Ernst & Young, 2018: https://www.ey.com/Publication/vwLUAssets/ey-digitalisierung-algorithmisierung-und-kuenstliche-intelligenz-im-pharmarecht/$FILE/ey-digitalisierung-algorithmisierung-und-kuenstliche-intelligenz-im-pharmarecht.pdf


JB72486DEa

Schreiben Sie einen Kommentar